1. Preis Realisierungswettbewerb 2001
Bauherr: Staatsbetrieb Sächsisches
Immobilien- und Baumanagement
Planung 2002 - 2004
Bauzeit 2005 - 2009
LPH 2 - 8
BGF Neubau 8.781 m²
Baukosten 10,9 Mio. Euro
Als wir im Jahr 1990 die Alte Nikolaischule, kurz nach der Wende, zum ersten Mal betraten, stand sie unbenutzt. Sie war wegen Baufälligkeit gesperrt. Rückfront und Treppenhaus fehlten. Vom Glanz der ältesten Bürgerschule Deutschlands, gegründet 1512, war nichts geblieben. Doch seine Würde hatte sie nicht eingebüßt. Die Kulturstiftung Leipzig hatte sich dieses geschichtsträchtigen, bedeutenden Bauwerks am Nikolaikirchhof, im Zentrum des alten Leipzig, angenommen. Das Gebäude sollte zu einem kulturellen Anziehungspunkt werden. Ein Kulturcafé im Erdgeschoss als Treffpunkt geistig und kulturell interessierter Bürger. Eine Gerätesammlung der Universität, schließlich im Keller situiert. Die Antikensammlung fand im 1. Obergeschoss ihr Domizil. Darüber ein Geschoss mit Vortrags- und Studienräumen, in dem die in Grundzügen erhaltene Aula die Hauptrolle übernehmen sollte.
Das Dach war für die Sächsische Akademie der Wissenschaften gedacht. Der große Raum im EG des mittleren Hauses entpuppte sich als das Auditorium der Schule. Über der Eingangshalle findet man eine bemalte Holzdecke aus der Renaissance. In den Obergeschossen farbig gefasste Putzfelder. Doch es sind Ausschnitte nur aus den Perioden der Geschichte, ergeben kein zusammenhängendes Bild. Zuviel war an dem Bauwerk im Laufe der Zeiten verändert worden. Wir sehen also keinen Grund, uns von unserem Konzept abbringen zu lassen. Das bestand darin, Alt und Neu miteinander zu verschränken. Wir nahmen uns vor, zwischen beiden Kontraste aufzubauen und Spannung zu erzeugen. Spannung, um sie miteinander zu verschmelzen und ein Eigenes entstehen zu lassen. Das Alte sollte nicht restauriert werden, wo es sowieso zerstört war, sondern neues Leben sollte es erfüllen. Inzwischen wirken auch politische Veränderungen auf das Bauvorhaben ein.
Die sich langsam formierende Stadtplanung hatte einen Innenhof auf dem Areal des Nachbarn gefordert. Wir nahmen ihn als willkommene Lichtquelle für das Treppenhaus. Aber die Rückgabe alten Eigentums wird verfügt. Den Nachbarn gibt es nicht mehr. Neu zu verhandeln ist nicht möglich. Der neue Nachbar –der alte Eigentümer- ist nämlich noch nicht existent. Kein Lichthof mehr sondern eine Bandwand. Damit ein ungekannter Nachbar anbauen kann, wie das Gesetz es verlangt. Widerstände fordern heraus. Ein Lichthof entsteht doch, zugleich aber als Treppenhaus. Tageslicht von oben. Ein steiler moderner Raum wird gegen die gelagerten, historischen gesetzt. Zierliche Treppen aus Stahl stehen gegen die behäbige Schwere des Steins. Beton gegen Mauerwerk und Putz. Ein großformatiges Fachwerk aus Beton erinnert an die weggebrochene Rückwand und dient dem alten Dachstuhl als Stütze. Grenze zwischen Alt und Neu, doch Bindeglied vermittels ihrer Öffnungen.
Der Gedanke, den Gegensatz von massiver, geschlossener Wand und offenem Betonraster mit anderen Mitteln in die Dachzone fortzusetzen, führen dazu, beide Seiten des Glasdaches unterschiedlich auszubilden: Stählerne Kragarme mit enger Sprossenstellung und mattem Drahtglas als Fortsetzung der Wand zum Nachbarn. Zum Altbau jedoch großformatige Klarglasscheiben, punktförmig gehalten, den Blick auf das historische Dach freigebend. Für das gesamte Gebäude wurde ein einheitlicher Deckenfluter entwickelt, dessen gelochter Edelstahlschirm zusätzlich zur Hauptstrahlrichtung ein weiches, direktes Streulicht nach unten ermöglicht.